Die COVID-19-Pandemie führte zu einem umfassenden Maßnahmenpaket.
Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wurde mit 16.03.2020 durch das COVID-19-Gesetz ermächtigt, Verordnungen zu erlassen. Mehrfach wurde von dieser Ermächtigung Gebrauch gemacht. So wurde bspw das „Betreten des Kundenbereichs von Betriebsstätten des Handels und von Dienstleistungsunternehmen“ generell untersagt. Unternehmer mussten ihre Geschäfte schließen. Ausnahmen bestanden lediglich im Bereich der Grundversorgung. Nun stellt sich die Frage, welche Auswirkungen dies auf bestehende Miet- und Pachtverhältnisse hat. Zentral ist hierbei die Gefahrtragung. Mit anderen Worten: Muss(te) der Zins weiterhin bezahlt werden?
Gefahrtragungsregeln
Das ABGB normiert in § 1104 die Auswirkungen der völligen Unbrauchbarkeit des Bestandobjekts durch „außerordentliche Zufälle“. Demnach ist der Bestandgeber (Vermieter bzw. Verpächter) nicht zur Wiederherstellung verpflichtet, der Bestandnehmer (Mieter bzw. Pächter) wiederum nicht zur Entrichtung des Miet- oder Pachtzinses. Das Gesetz nennt als außerordentlichen Zufall beispielhaft Seuchen, womit auch die COVID-19-Pandemie und die daraus resultierenden Maßnahmen erfasst sein dürften.
Wenn das Bestandobjekt durch „außerordentlichen Zufall“ nicht zur Gänze unbrauchbar wird, sondern nur zum Teil, differenziert § 1105 ABGB zwischen Miete und Pacht. Während der Mieter den Mietzins im Verhältnis der teilweise nicht möglichen Nutzung mindern kann, gebührt dies dem Pächter nur unter den kumulativen Voraussetzungen, dass die Pachtzeit ein Jahr nicht übersteigt und die erzielten Nutzungen weniger als die Hälfte des gewöhnlichen Ertrags betragen. Der Gesetzgeber rechnet bei langfristigen Pachtverträgen wohl damit, dass die „schwachen Monate“ ausgeglichen werden können.
Vertragliche Regelungen
Die §§ 1104f ABGB sind dispositives Recht. Sie können also grundsätzlich im Rahmen des allgemeinen Vertragsrechts abbedungen werden. § 1106 ABGB enthält allerdings eine einschränkende Auslegungsregel, nach der die umfassende Gefahrenübernahme des Bestandnehmers im Zweifel lediglich für Feuer-, Wasser-, und Windschäden gelten soll und daher außerordentliche Zufälle nicht umfasst. Die ausdrückliche Übernahme der Gefahr außerordentlicher Zufälle ist allerdings – innerhalb der Schranken des Vertragsrechts – möglich.
„Freiwillige“ Schließungen aus wirtschaftlichen Überlegungen
Viele Unternehmer sind auf - in diesen Zeiten ausbleibende - Laufkundschaft angewiesen. So kann es auch vorkommen, dass Geschäfte, die keinem Betretungsverbot unterliegen, aus wirtschaftlichen Überlegungen schließen. In diesem Fall bleibt die Pflicht zur Zinszahlung wohl aufrecht. Das Bestandobjekt kann vertragsgemäß benutzt werden. Es ist dem allgemeinen Unternehmerrisiko zuzurechnen, wenn dies mit wirtschaftlichen Verlusten einhergeht.
Schlussfolgerungen
Können Unternehmer ihre Miet- und Pachtobjekte aufgrund der verkehrsbeschränkenden Maßnahmen überhaupt nicht vertragsgemäß benutzen, weil sie unmittelbar von Betretungsverboten oder Betriebsschließungen betroffen sind (zB Bekleidungsgeschäfte und Frisöre), sind sie von der Zinszahlungspflicht, befreit.
Bei Lebensmittelgeschäften mit Restaurantbereich, die nur einen Teil des Bestandobjektes benutzen können, ist eine Zinsminderung möglich. Jedoch ist zwischen Miete und Pacht zu unterschieden. Bei Letzterer spielen wiederum Vertragsdauer und Umsatzeinbußen eine Rolle.
Wer das Bestandobjekt vertragsgemäß – wenn auch mit Verlust - nutzen kann, muss auch den vollen Zins zu entrichten.