Grundsätzlich ist die Streupflicht des Vermieters auf den Zeitraum 6 – 22 Uhr begrenzt.
Wenn allerdings Glatteis erst für die Nacht erwartet wird, so kann eine Pflicht bestehen, dieser Gefahr vorzubeugen, entschied nun der Oberste Gerichtshof in 7 Ob 116/20b:
Sachverhalt
Der Kläger war in der Nacht vom 30. November auf den 1. Dezember 2017 gegen ein Uhr früh auf dem Heimweg zu seiner Wohnung. Kurz nachdem er eine Gehfläche betrat, die zu jener Wohnhausanlage gehört, in der er Mieter ist, trat er auf eine Eisplatte, rutschte aus und zog sich dabei Gesichtsverletzungen zu. Die Vermieterin hatte mit dem Winterdienst eine externe Firma beauftragt, die sich dem Verfahren als Nebenintervenientin anschloss. Der Kläger begehrte Schadenersatz und argumentierte, dass die Verantwortlichen die nächtliche Eisbildung vorhersehen und ihrer Verkehrssicherungspflicht entsprechend handeln hätten müssen.
Die Vermieterin brachte vor, dass eine vorsorgliche Streupflicht nicht bestehe. Außerdem sei nach der Wiener Winterdienst-Verordnung der präventive Einsatz von Auftaumittel unzulässig.
Das BG Floridsdorf wies die Klage in erster Instanz ab. Das Berufungsurteil hob das Ersturteil auf. Der Oberste Gerichtshof hat über den Rekurs der Vermieterin wie folgt entschieden:
Rechtliche Beurteilung
Der OGH nahm Bezug auf seine bisherige Rechtsprechung zur Streupflicht. In OGH-E 2 Ob 43/14h hatte er ausgeführt, dass Maßnahmen gegen Glatteis „rund um die Uhr“ regelmäßig unzumutbar seien. Daraus lasse sich aber nicht ableiten, dass eine nächtliche Streupflicht bei konkreter Vorhersehbarkeit einer außergewöhnlichen Wetterlage, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Glatteisbildung führe, ausgeschlossen sei. Dies könnte insbesondere bei Wetterwarnungen der Fall sein, bloße Nebelbildung und Temperaturen unter dem Gefrierpunkt reichen allerdings nicht aus.
Daher bestätigte der OGH die Rechtsansicht des Berufungsgerichts zur Wiener Winterdienst-Verordnung. Gemäß § 1 Abs 1 ist diese nur auf öffentliche Verkehrsflächen anzuwenden. Zudem stand nicht fest, dass ausschließlich das nach dieser Verordnung unzulässige Streumittel zur Prävention geeignet gewesen wäre.
Die Rekurse der Vermieter und der Nebenintervenientin wurden daher zurückgewiesen.