Rechtsanwalt Dr. Herbert Laimböck

Wenn bestehende Versicherungsverträge geändert werden,

stellt sich häufig die Frage, ob es sich um eine Schuldänderung oder Neubegründung des Versicherungsverhältnisses handelt:

Eine Schuldänderung liegt vor, wenn die näheren Bestimmungen, wo, wann und wie ein schon bestehender Versicherungsvertrag erfüllt werden soll, und andere Nebenbestimmungen, wodurch mit Rücksicht auf den Hauptgegenstand oder den Rechtsgrund keine Umänderung geschieht, geändert werden. Daher lassen solche Schuldänderungen den ursprünglichen Versicherungsvertrag fortbestehen, auch wenn er in manchen Punkten Neues regelt. Es gilt die gesetzliche Fiktion der Nichtveränderung der Schuld mit den gleichen Folgen, als wäre die alte Verbindlichkeit nicht untergegangen. Entscheidendes Kriterium ist, ob das ursprüngliche Rechtsverhältnis trotz der Änderung noch als das alte angesehen werden kann.

Hingegen kommt zur Neubegründung des Versicherungsverhältnisses, wenn die für einen Versicherungsvertrag wesentlichen Punkte, nämlich das Versicherungsobjekt, die versicherten Risiken, die Gesamtversicherungssumme, die Prämienzahlung oder die Versicherungsdauer völlig neu vereinbart werden. In diesem Fall wollen die Parteien das ursprüngliche Schuldverhältnis durch Änderung des Rechtsgrundes oder des Hauptgegenstandes durch ein Neues ersetzen, indem sie mit der Begründung des neuen die Aufhebung des alten Versicherungsvertrages verknüpfen. Eine Änderung des Rechtsgrundes würde vorliegen, wenn der Entstehungsgrund des Anspruches geändert wird (beispielsweise ein Neuantrag auf Abschluss des Versicherungsvertrages). Hauptgegenstand ist der primäre Leistungsinhalt. Daher tritt eine Änderung des Hauptgegenstandes ein, wenn ein wesentlich anderer an seine Stelle tritt (beispielsweise statt einer Haftpflichtversicherung eine Rechtsschutzversicherung). Es muss eine „artliche“ Verschiedenheit sein. Mit der Novation beabsichtigen die Parteien, mit der neuen Verbindlichkeit die alte zu tilgen. Dies muss nicht ausdrücklich erklärt werden, sondern kann sich auch aus den Umständen ableiten lassen.

Den Unterschied zwischen Änderung eines bestehenden Versicherungsvertrages und Neubegründung eines Versicherungsvertrages zeigt der nachstehende Fall:

Der Versicherer wandte sich an den Versicherungsnehmer, um den bestehenden Versicherungsvertrag zu aktualisieren. Dabei wurden nicht nur neue Sparten versichert, sondern auch beim bestehenden Rechtsschutzversicherungsvertrag die Versicherungssumme und die anzuwendenden ARB geändert. Der Versicherungsnehmer hat einen neuen Versicherungsschein erhalten. Er forderte aus der Rechtsschutzversicherung Deckung zur Verfolgung von Schadenersatzansprüchen im Zusammenhang mit einer Anleihezeichnung im Jahr 2010. Im Zeitpunkt des Eintrittes des Versicherungsfalles lagen dem Vertrag noch die ARB 1988 zugrunde, welche die Geltendmachung solcher Schadenersatzansprüche deckten. Die nachfolgenden ARB 2007 schließen den Versicherungsschutz für die Wahrnehmung solcher rechtlichen Interessen aus. Zu prüfen war nun, ob der Versicherungsvertrag im Jahr 2011 geändert oder neu abgeschlossen worden war. Davon hing nämlich ab,  ob die beabsichtigte Rechtsverfolgung aufgrund der anzuwendenden ARB gedeckt oder aufgrund des Risikoausschlusses nicht versichert war. Bei der gegenständlichen Versicherung handelte es sich um eine Bündelversicherung, bei der die eingeschlossenen Sparten (wie zB Haushalt, Haftpflicht und Rechtsschutz) ein rechtlich selbständiges Schicksal haben und insoweit getrennt zu beurteilen sind. Der Oberste Gerichtshof erkannte, dass es der Wille der Parteien des Versicherungsvertrages gewesen sei, den Rechtsschutzversicherungsvertrag durch Anpassung der Versicherungssumme zu aktualisieren. Nicht beabsichtigt gewesen sei aber, zu Lasten des Versicherungsnehmers eine unerwartete Deckungslücke entstehen zu lassen. Daher sollte der bestehende Rechtsschutzversicherungsvertrag nicht so geändert werden, dass das Versicherungsverhältnis und damit die Anwendung der ARB 1988 beendet wird. Folglich musste der Versicherer seinem Kunden Rechtsschutzdeckung zur Verfolgung von Schadenersatzansprüchen im Zusammenhang mit der Anleihezeichnung gewähren (7 Ob 112/16w).

Dieser Rechtsfall zeigt deutlich, dass jeder Versicherungsnehmer bei der „Aktualisierung“ seines Versicherungsvertrages darauf achten sollte, nicht durch die Änderung zu seinen Lasten eine unerwartete Deckungslücke entstehen zu lassen. Im Zweifelsfall sollte der Versicherungsnehmer dem Versicherer mitteilen:

 „Sollte durch diesen Antrag ein bestehender Vertrag ersetzt werden, gelten die Bedingungen, Klauseln und Vereinbarungen mindestens in der bisherigen Form. Änderungen sind nur wirksam, sofern und soweit diese eine Besserstellung für den Versicherungsnehmer darstellen.“